Ich war noch nie auf der Fusion. Mit voller Absicht. Und ich habe mich über Hengameh Yaghoobifarahs Text zum Thema sehr gefreut. Der ist nicht nur ins Wort erlöster redlicher Hass, sondern behandelt ein relevantes Thema: die kulturelle Aneignung. Das machen übrigens nicht nur verstrahlte Hippies. Gerade in der Küche ist sie häufig anzutreffen. In diesem Zusammenhang ist das Private völlig unpolitisch: Ich kann mir kochen, was ich will. Udon Carbonara? Mit Sahne gar? Und mit grünen Bohnen, der Optik wegen? Kein Problem. Aber in der Gastronomie ist die Sache schon etwas komplexer. Kompakt und verkürzt: Wenn die Küche von marginalisierten Minderheiten „geklaut“ und verwertet wird, ist das politisch-ökonomisch nicht unproblematisch. Wen die Rezepte dabei auch noch „verbessert“ werden, kann das durchaus als Respektlosigkeit wahrgenommen werden.
Hier könnte eine Collage aus fremden klugen Gedanken folgen, doch wesentliche Aspekte haben die Journalistinnen Vanessa Vu und Minh Thu Tran in einer Folge ihres immer hörenswerten Podcasts „Rice and Shine“ behandelt. Seit ich diese gehört habe, bin ich übrigens eine Art Fanboy des Komikers Nigel Ng und seiner Kunstfigur Uncle Roger, die hauptsächlich Videos zerstört, in denen weiße Menschen asiatische Speisen zubereiten.
Berlin ist nicht Bullerbü. Dieses Wort hat eine böse Frau aus niederträchtigen Motiven in die Welt gesetzt. Aber natürlich ist da was dran. Hier leben nicht nur drei weiße schwedische Familien (wär ja auch merkwürdig), sondern Millionen von Menschen, von denen viele ihre kulturellen Wurzeln in anderen Gegenden der Welt haben. Das macht sich in der Gastronomie (und nicht nur dort) erfreulich bemerkbar: Hier gibt es kulinarisch den real McCoy zu finden, die authentischen Küchen dieser Welt. Ein sehr schönes Beispiel liegt ganz nahe, nur wenige Meter von meiner Wohnung entfernt: In Räumen, in denen es bei meiner Ankunft in Berlin Autoteile zu kaufen gab, und vor allem im benachbarten Garten hat vor einigen Jahren der Alsancak Simit Sarayi eröffnet. Der Name beschreibt das Lokal unvollständig: Es ist nicht nur ein Palast der frisch gebackenen Sesamringe, sondern ein hervorragendes türkisches Frühstückslokal, das auch warme Speisen anbietet. Das Lokal in der Blücherstraße Nr. 9 in Kreuzberg ist sehr beliebt. Aber wenn ich einen Platz gefunden habe, habe ich es immer sehr genossen.
Ein ausgiebiges türkisches Frühstück geht eigentlich zu jeder Tageszeit. Mein Favorit sind allerdings die Manti, winzige gefüllte Teigtäschchen. Diese werden nach anatolischer Art in einer leichten knoblauchigen Tomatensauce mit Joghurt gereicht. Im Alsancak bekommt der Gast zudem Gewürze, um sich das individuelle Geschmackserlebnis mit Minze, Chili, Kreuzkümmel und Sumach zu geben. So schmeckt die Türkei, in die ich aus politischen Gründen seit Jahren nicht reise. Es wäre wirklich ärgerlich anmaßend, wenn ein Männerdutt-Malte auf die Idee käme, dieses Rezept mit einer veganen Möhrensoße oder dem Überbacken mit Analogkäse zu optimieren.
Disclaimer: Ich war bei meinen Besuchen im Alsancak Simit Sarayi nicht als Blogger/Schreiber erkennbar und habe meine Speisen und Getränke selbst bezahlt. Und das bleibt auch so.