Essen ist fertig

René Descartes hatte Recht: Das Denken macht den Menschen zu dem, was er ist – zu einem Individuum. Er bekommt sein eigenes Ich. Das wird je nach Epoche, Kultur, Gegend und Charakter mal mehr und mal weniger intensiv gestreichelt. Selbstentfaltung sagen die einen, Selbstliebe die anderen. Letztere kann mitunter durchaus negativ konnotiert sein, je protestantischer, desto doller. Ich erspare Ihnen und mir an dieser Stelle sowohl laientheologische Betrachtungen über den Zusammenhang von Selbst- und Nächstenliebe als auch zu Fragen der Autoerotik und stelle lediglich fest: Das Ich begeistert sich an sich selbst. Und dieses Gefühl muss raus. Zum Glück gibt es das Internet und darin praktische Plattformen zur Selbstpräsentation und -repräsentation.

Ein schönes Exempel ist Instagram. Ein Schaufenster der Eitelkeiten. Ich meine das nicht negativ: Ich habe selbst einen Account. Hier zeigt der Mensch, wer er ist, wie er gerne wäre und wie er von anderen gesehen werden möchte. Zum Thema Selfie habe ich mich bereits vor auf den Tag genau sechs Jahren an dieser Stelle ausführlich geäußert. Doch auch Bilder von Interieurs oder Käfern, von Straßenszenen oder Lebensmitteln dienen der Selbstdarstellung und -versicherung. Aber das funktioniert nicht immer so, wie es sich die Urheber:in vorstellt.

Ich lasse dahingestellt, was ich über mich sagen will, wenn ich Straßenpflaster, Scherben oder urbane Zufallscollagen fotografiere und ins Netz stelle. Ich habe nur zuletzt die Erfahrung gemacht, dass zumindest bei meinen Follower:innen und Freund:innen (ich habe seit kurzem mal wieder Insta mit Facebook verkoppelt) nichts von alledem auch nur annähernd so viel Interesse (gemessen an Interaktionen) weckt, wie Essensbilder. Ich nehme das relativ gelassen; sollen sie doch ruhig wissen und bestätigt finden, dass ich verfressen bin. Aber ich nehme das zum Anlass, bei Gelegenheit und Lust auch hier ausgewählte Essensbilder mit kurzen launigen oder informativen, immer aber radikal subjektiven Texten zu veröffentlichen. Ich kann und darf das, es ist schließlich mein eigenes Blog.

Das auf den ersten Blick vielleicht noch etwas rätselhafte Bild oben ist also als Teaser für den ersten Beitrag auf meinem Weg zum Food-Influencer. Allen Gastronom:innen da draußen schon einmal vorab eine wichtige Information: Ich bin hauptberuflich in der Werbebranche tätig, also durch und durch käuflich.

Lange Nacht der Selfies

Das Selbstportrait ist ein seit der Renaissance nicht selten anzutreffender Bildtypus. Auch viele der Berliner Museen, die am Wochenende zur Langen Nacht luden, zeigen Selbstbildnisse. Ein deutlich jüngerer Trend sind die so genannten „Selfies“, Fotografien der eigenen werten Visage, die dann über soziale Medien verbreitet werden. Ich schreibe dies im Angesicht Horst Janssens, der in sich selbst sein Lieblingsthema gefunden zu haben scheint, Es ist sicherlich keine kühne These, dass der Künstler eine ausgeprägt narzisstische Persönlichkeit hatte. Und nicht zu wenig Narzissmus ist sicherlich auch im Spiel, wenn die Selfisten denken, dass ihr jeweiliges Gesicht ein erhebender und daher veröffentlichungswerter Anblick sei – an und für sich oder gar als Verbesserung von Anblicken wie beispielsweise des Taj Mahal, eines Sonnenuntergangs am Rhein-Herne-Kanal oder des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.

Ich finde mich persönlich nicht unbedingt schön und habe deshalb bislang öffentliche „Selfies“ vermieden. Bei der langen Nacht der Museen allerdings, es war kurz vor Mitternacht, schoss meine Begleiterin auf der Rückbank eines fahrenden Trabant-Cabrios (das Trabi-Museum hatte für einen Shuttleservice gesorgt) ein Doppelselfie, das bessser als jeder Text beschreibt, wie sehr wir die Nacht genossen haben.

trabant

Nur wenige Minuten zuvor hatte sie mich schon im Currywurstmuseum mit dem örtlichen Maskott – die Ausmaße verbieten das Diminutiv – fotografiert. Der Plan war, mit dem Bild an einem Preisausschreiben teilzunehmen. Das unterblieb jedoch aus nicht mehr nachvolliehbaren Gründen, weil ich es schlicht und ergreifend verpeilt habe. Egal, veröffentliche ich es also hier. Ich kann und darf das, es ist schließlich mein eigenes Blog.

wurst

Nachtrag: Ganz herzlichen Dank an Frederike Stöß für die Bilder und noch viel mehr für einen wundervollen Abendtrip durch die Welt des Sehens- und Bemerkenswerten.

Noch ein Nachtrag: Natürlich folgen in den nächsten Tagen weitere Texte zu Langen Nacht der Museen 2015